Bundesgericht verhandelt über Verbot von «Compact»-Magazin
Veröffentlicht: Dienstag, 10.06.2025 12:23

Extremismus
Berlin/Leipzig (dpa) - Knapp ein Jahr nach dem Verbot des rechtsextremen Magazins «Compact» prüft das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, ob dieses Bestand hat. Unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen sowie großem Zuschauer- und Medienandrang begann die mündliche Verhandlung. Wann die Leipziger Richter ihr Urteil sprechen, ist noch offen.
Der Chefredakteur von «Compact», Jürgen Elsässer, zeigte sich vor der Verhandlung zuversichtlich. «Wir sind optimistisch, dass das Gericht eine demokratische Entscheidung trifft», sagte Elsässer. «Fällt das Urteil zu unseren Ungunsten aus, ist "Compact" tot». Zwar sei der Weg zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe möglich. Das habe aber keine aufschiebende Wirkung.
«Zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene»
Die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte sein Magazin am 16. Juli 2024 verboten und es als «zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene» bezeichnet. «Compact» hatte dagegen eine Klage sowie einen Eilantrag gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Verbots eingereicht.
Im Eilverfahren hatte der zuständige 6. Senat das Verbot vorläufig ausgesetzt, so dass das Blatt vorerst weiter erscheinen konnte. Nun steht die endgültige Entscheidung im Hauptsacheverfahren an. Das Bundesgericht ist in erster und letzter Instanz für Klagen gegen Vereinsverbote zuständig.
Eingriff in die Pressefreiheit verhältnismäßig?
Entscheidend dürfte dabei sein, ob ein Eingriff in die Pressefreiheit verhältnismäßig ist - oder ob es mildere Mittel als ein Verbot des gesamten Verlags nebst Magazin und TV-Programm gibt. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob Aktivitäten und Aussagen des Medienunternehmens über Meinungsäußerung hinausgehen und eine konkrete Gefährdung darstellen.
In der Verbotsverfügung des Ministeriums hieß es: «Es ist zu befürchten, dass Rezipienten der Medienprodukte durch die Publikationen, die auch offensiv den Sturz der politischen Ordnung propagieren, aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden.» Das Unternehmen agitiert nach Einschätzung des Verfassungsschutzes nicht nur gegen die Bundesregierung, sondern auch «allgemein gegen das politische System».
Laut Ministerium ist die «Compact»-Magazin GmbH seit längerem im Fokus des Verfassungsschutzes und wurde Ende 2021 als gesichert rechtsextremistische Vereinigung eingestuft und beobachtet.
Das 2010 gegründete Medienunternehmen hatte seinen Sitz früher im brandenburgischen Falkensee, inzwischen sitzt es in Stößen in Sachsen-Anhalt. Die Auflage des «Compact»-Magazins liegt nach Gerichtsangaben bei 40.000 Exemplaren, der Online-TV-Kanal erreicht bis zu 460.000 Klicks.
Weitere Argumente nachgeliefert
Im Eilverfahren hatten die Richter vor allem Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Verbots angemeldet. Da Faesers Verbotsverfügung zu einer sofortigen Einstellung des gesamten Print- und Onlineangebots von «Compact» geführt hätte, komme dem Grundrecht der Pressefreiheit ein besonders Gewicht zu, erklärten die Bundesrichter im vergangenen August. Ein Vereinsverbot dürfe die verfassungsrechtlich garantierte Meinungs- und Pressefreiheit nicht untergraben, so die Richterinnen und Richter.
Nach Medienberichten hat das Bundesinnenministerium zwischenzeitlich weitere Argumente an das Bundesgericht geliefert. Darunter Belege, die aus den Durchsuchungen im Sommer 2024 stammen.
Kläger: Vereinsverbot nicht anzuwenden
Rechtlich handelt es sich bei dem Schritt um ein Vereinsverbot - laut Innenministerium können auch Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen darüber verboten werden. Dagegen hatte das Bundesverwaltungsgericht im Eilverfahren zunächst keine Einwände erhoben.
«Compact»-Anwalt Ulrich Vosgerau kritisierte dies zu Beginn der mündlichen Verhandlung. Es handele sich um einen «Kardinalfehler» des Beschlusses, davon auszugehen, dass für ein Presseerzeugnis das Vereinsgesetz anzuwenden ist. Der Jurist zweifelte an, dass das Gericht bereit sei, in diesem Punkt seien Meinung zu revidieren.
Im vorliegenden Fall habe das Vereinsverbot dem Schutz der verfassungsgemäßen Ordnung gedient, betonte der Prozessvertreter des Ministeriums. Und dafür sei nun mal das Bundesinnenministerium zuständig. Zudem seien bei der Entscheidung auch andere Grundrechte als die Presse- und Meinungsfreiheit berücksichtigt worden. «Wenn sich ein Medium gegen die verfassungsgemäße Ordnung richte, ist ein Verbot möglich», betonte Rechtsanwalt Wolfgang Roth.
Unterstützer verfolgen Prozess
Zu dem Prozess kamen zahlreiche Unterstützer vom «Compact»-Team. Der rund 200 Zuschauer fassende Saal im Bundesverwaltungsgericht war fast voll besetzt.
Um ausreichend Zeit für den Fall zu haben, hat das Gericht vorsorglich zwei weitere Verhandlungstage am 11. und 12. Juni angesetzt. Offen ist dennoch, ob die Richter einen extra Termin benennen zur Verkündung ihres Urteils.

