Pakistans Premier kündigt Reaktion an – Sorge vor Eskalation
Veröffentlicht: Mittwoch, 07.05.2025 21:44

Kaschmir-Konflikt
Islamabad/Neu-Delhi (dpa) - Nach Angriffen des indischen Militärs auf mehrere pakistanische Ziele spitzt sich die Lage auf dem Subkontinent weiter gefährlich zu. Pakistans Premierminister Shehbaz Sharif erklärte nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts in Islamabad erneut, es werde eine Reaktion auf die indische Militäraktion geben. International wächst die Sorge vor einer erneuten Eskalation des Konflikts, auch der neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) forderte die Konfliktparteien auf, einen «kühlen Kopf» zu bewahren.
Nach Angaben des pakistanischen Militärs starben bei Raketenangriffen in der Nacht 31 Menschen, 57 wurden verletzt. Durch Artilleriebeschuss der pakistanischen Armee entlang des Grenzverlaufs im indisch kontrollierten Teil der Unruheregion Kaschmir noch in der Nacht kamen auch mehrere Menschen in Indien ums Leben.
Indien hatte nach eigenen Angaben in der Nacht mehrere Ziele in Pakistan und im pakistanisch verwalteten Teil Kaschmirs angegriffen. Die Angriffe seien auf «terroristische Infrastruktur» erfolgt. Eine Militärsprecherin in Neu-Delhi sagte, neun «Terroristencamps» seien zerstört worden. Das wurde von Pakistan nicht bestätigt.
Premier: Streitkräfte sind ermächtigt, Maßnahmen zu ergreifen
Pakistan behalte sich das Recht vor, in Selbstverteidigung zu einem Zeitpunkt, an einem Ort und auf eine Weise seiner Wahl zu reagieren, sagte Sharif laut einer Mitteilung. «Die pakistanischen Streitkräfte sind ordnungsgemäß ermächtigt worden, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.» Details nannte er nicht. In der Region wächst die Sorge vor einem neuen Krieg zwischen den beiden Atommächten.
Mit den Angriffen reagierte Indien auf einen Terroranschlag am 22. April in dem indischen kontrollierten Teil Kaschmirs mit 26 Toten. Die Regierung in Neu-Delhi wirft Pakistan eine Beteiligung vor, Islamabad weist den Vorwurf zurück.
Tote bei Kämpfen in der Grenzregion
Nach den Luftangriffen setzten noch in der Nacht laut indischer Armee Feuergefechte in der Grenzregion ein. Die Zeitung «The Indian Express» berichtete unter Berufung auf eigene Informationsquellen, mindestens sieben Zivilisten, darunter zwei Kinder, seien im indischen Unionsterritorium Jammu und Kaschmir durch den Beschuss getötet und 38 weitere verletzt worden. Andere Medien sprachen von mindestens zehn Toten. Die Regierung nannte zunächst keine Opferzahlen. Indische Sender zeigten Bilder von zerstörten Gebäuden.
Die Armee sprach von Artilleriefeuer an der militärischen Kontrolllinie. Diese etwa 740 Kilometer lange Linie gilt als De-Facto-Grenze und teilt Kaschmir zwischen den beiden Atommächten auf. Pakistans Premier Sharif meldete außerdem den Abschuss von fünf indischen Kampfjets. Eine Bestätigung durch Indien gab es dafür zunächst nicht.
Krisenherd Kaschmir
Nach Darstellung der indischen Regierung dienten die Luftangriffe auf das Nachbarland im Rahmen der «Operation Sindoor» der Prävention. «Unsere Geheimdienste, die in Pakistan basierende Terroristen-Einheiten beobachten, deuteten darauf hin, dass weitere Attacken gegen Indien drohten», sagte der Staatssekretär im Außenministerium, Vikram Misri. Es habe die Notwendigkeit gegeben, abzuschrecken und zu verhindern.
Die Kaschmir-Region im Himalaya ist zwischen Pakistan und Indien geteilt, beide Atommächte beanspruchen aber das ganze Gebiet für sich. Die Ursprünge des Konflikts reichen bis in die Kolonialzeit zurück. 1947 entließen die Briten den indischen Subkontinent in die Unabhängigkeit und teilten diesen auf. Aus der Teilung entstand neben dem überwiegend hinduistischen Indien der neue Staat Pakistan für Muslime. Die gewaltvoll verlaufene Teilung nährt bis heute eine erbitterte Rivalität. Seit ihrer Unabhängigkeit führten beide Länder drei Kriege gegeneinander, zwei davon um Kaschmir.
Pakistan schließt Luftraum vorübergehend
Pakistan schloss nach den Angriffen aus Indien bis zum Nachmittag Ortszeit seinen Luftraum. Der Flugbetrieb an den Flughäfen Islamabad und Lahore wurde vorübergehend eingestellt, wie ein Sprecher der zivilen Luftfahrtbehörde der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. In mehreren Teilen Indiens und Pakistans blieben die Schulen geschlossen. Die Provinz Sindh im Südosten Pakistans rief laut dem pakistanischen Nachrichtensender Geonews außerdem den Gesundheitsnotstand aus.
Laut dem Südasien-Experten Michael Kugelman ist das Eskalationspotenzial auch im Vergleich zu vorherigen Konflikten gefährlich hoch. «Der indische Angriff auf Pakistan hat ein viel größeres Ausmaß als der Angriff von 2019», schreibt der Experte auf der Online-Plattform X. Das gelte ebenso für den von Pakistan gemeldeten Abschuss mehrerer indischer Kampfflugzeuge.
Damals starben bei einem schweren Angriff im indischen Teil Kaschmirs 40 Menschen. Indien entzog dem Gebiet daraufhin die Teilautonomie, es kam vermehrt zu Gefechten. 2021 einigten sich beide Länder zunächst, die Kämpfe einzustellen.
Internationale Besorgnis über Eskalation
UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich nach den Angriffen «sehr besorgt».«Die Welt kann sich eine militärische Konfrontation zwischen Indien und Pakistan nicht leisten», sagte er laut einer Mitteilung seines Büros. Er rief beide Atommächte zur militärischen Zurückhaltung auf.
US-Präsident Donald Trump äußerte seine Hoffnung, dass der Konflikt zwischen den beiden Atommächten nicht weiter eskaliert. «Ich hoffe nur, dass es sehr schnell endet», sagte Trump bei einer Veranstaltung im Weißen Haus mit Blick auf den Angriff. Außenminister Marco Rubio schrieb auf der Plattform X, er werde weiter sowohl die indische als auch die pakistanische Führung auf eine friedliche Lösung hinweisen.
Bundeskanzler Merz sagte in Paris: «Besonnenheit und Vernunft ist gefragt. An einer weiteren Eskalation sollte auch in der Region niemand ein Interesse haben.»
China forderte beide Seiten zur Zurückhaltung auf. Man bedauere die Militäraktion Indiens und sei über die Entwicklung der Lage besorgt, teilte ein Sprecher des Außenamtes in Peking mit. Während das chinesisch-indische Verhältnis unter anderem wegen Grenzkonflikten im Himalaya-Gebirge als äußerst angespannt gilt, unterhält Peking enge Wirtschaftsbeziehungen zu Pakistan. Zudem steht ein kleinerer Teil im Osten der Kaschmir-Region unter Chinas Kontrolle.
Auch der Iran zeigte sich besorgt und äußerte die Hoffnung, dass beide Seiten noch deeskalieren könnten. Am Montag war der iranische Außenminister Abbas Araghtschi in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad, um zwischen den südasiatischen Atommächten zu vermitteln. Großbritannien bot ebenfalls an, zwischen den beiden Ländern, die aus dem britischen Kolonialreich hervorgegangen sind, zu vermitteln.