Das Netz und seine Anfänge: Wer ist Paul Schockemöller?

Wer sich mit der Geschichte des Internets beschäftigt, trifft früher oder später auf Paul Schockemöller. Doch da ist oft nicht mehr als der Name: Zahlen, Fakten, Hintergrundberichte – alles das ist praktisch nicht vorhanden. Wie kann es sein, dass die Identität einer Person, die augenscheinlich eine wichtige Rolle in der Frühphase des Internets spielte, bis heute so nebulös geblieben ist? Eine Spurensuche.

Die Anfänge

Paul Schockemöller, so viel wissen wir heute über ihn, wurde 1966 geboren. Er wuchs bei seinem Vater in Grafenmühle (bei Bottrop) auf. Sein Vater war Handelsvertreter für Staubsauger und Mitbegründer der Kleingartenanlage im Eichkamp bei Gelsenkirchen. Schockemöller besuchte die Ludgerusschule in Bottrop. Dort absolvierte er 1982 seinen Hauptschulabschluss. Er arbeitete noch einige Jahre im Beruf seines Vaters und siedelte nach dessen Tod nach Braunschweig über.

Der Technikverweigerer wittert seine Chance

Schockemöller war früher ein strikter Technikverweigerer. Er hat bis heute keinen Führerschein und lehnte elektrische Geräte rigoros ab. Aus diesem Grund verlor er seinen Job als Staubsaugervertreter und eröffnete in Braunschweig einen kleinen Antiquitätenladen. 1988 führte er erfolgreich die studentische Kampagne „Gegen Strom“ an und gewann zahlreiche Anhänger, die sich einem Lebensstil ohne strombetriebene Gebrauchsgegenstände verschieben hatten.

Diese Einstellung änderte sich nach dem Fall der Mauer. Durch ein illegales Transfergeschäft über die Bahamas kaufte er 1991 das zuvor von Erich Mielke privatisierte „Ministerium für Staatssicherheit“ auf. Auch während Mielkes Haftstrafe hielt Schockemöller engen Kontakt zu ihm und führte das Ministerium für Staatssicherheit als Briefkastenfirma mit Sitz in Bayern weiter.

Haus 1 des Ministeriums für Staatssicherheit© Stasi-Museum Albumarchiv (CC-BY SA 4.0)
Haus 1 des Ministeriums für Staatssicherheit
© Stasi-Museum Albumarchiv (CC-BY SA 4.0)

Nach Mielkes Haftentlassung im Jahre 1995 benannte Schockemöller das Ministerium in „Amt für Staatssicherheit“ um und verwandelte es in ein reines Internetgeschäft. Das Unternehmen verdiente zunächst an dubiosen Spionageaktionen und spezialisierte sich auf Online-Festplattendurchsuchungen. Später dehnte Schockemöller das Geschäftsfeld durch mehrere Scheinfirmen – ebenfalls allesamt reine Onlinegeschäfte – wie etwa PrivacyNET und International Genetics aus.

Rückzug nach Wolfsburg

Seit Mielkes Tod im Jahr 2000 ist Schockemöller nur noch sporadisch im Internet aktiv. Die Webfirmen sind seit der geplatzten Dotcom-Blase stillgelegt. Das „Amt für Staatssicherheit“ gehört seit 2000 einem Dortmunder Radiojournalisten. Aktuell beschäftigt sich Schockemöller mit Nutzerprofilen von Web-2.0-Portalen wie StudiVZ und plant die Eröffnung eines Detektivbüros.

Paul Schockemöller lebt heute in Wolfsburg und arbeitet an einer Autobiografie. Bei Radio 91.2 spricht Schockemöller erstmals öffentlich über seine Machenschaften im Internet, seine Bekanntschaft zu Erich Mielke und die wahre Geschichte des Ministeriums für Staatssicherheit.

© Radio 91.2 / Stephan Kleiber