Deutscher ESC-Beitrag steht fest

Instinkt statt Voting

Hamburg (dpa) - Mit einem bunten Video trällert es Barbara Schöneberger laut heraus: Der Norddeutsche Rundfunk will beim ESC endlich wieder punkten - und hat deshalb ohne Beteiligung der Fernsehzuschauer bereits den deutschen Beitrag ausgewählt.

Wer denn jetzt am 16. Mai beim Finale des Eurovision Song Contest im niederländischen Rotterdam für Deutschland antreten wird, blieb dagegen im Dunkeln. Das soll erst am 27. Februar um 21.30 Uhr in der Sendung «Unser Lied für Rotterdam» auf dem Sender One verraten werden, wie der federführende NDR am Montag in Hamburg mitteilte. Die 45-minütige Sendung wird wie gewohnt von Schöneberger moderiert.

Bei der Entscheidung hatten in diesem Jahr nur Experten und ESC-Kenner mit einem guten Bauchgefühl das Sagen. Zwei unabhängige Jurys hörten und schauten sich dafür in einem mehrstufigen Prozess durch eine Auswahl von 600 Künstlern. Und fanden so schließlich denjenigen, der nun das Ruder für Deutschland herumreißen soll.

«Unser Act hat die nationalen und internationalen Expertinnen und Experten begeistert und sich in einem tollen Teilnehmerfeld durchgesetzt. Wir sind zuversichtlich, dass die Wahl auch bei den ESC-Fans auf sehr breite Zustimmung und - wie wir hoffen - auf Begeisterung stoßen wird», sagte der ARD-Unterhaltungschef Thomas Schreiber laut Mitteilung.

Im vergangenen Jahr war das deutsche Duo Sisters beim ESC in Tel Aviv auf dem vorletzten 25. Platz gelandet. Auch in den fünf Jahren zuvor sah es - abgesehen von Michael Schultes viertem Platz 2018 - nicht gut aus. Deutschland landete stets auf den hinteren Plätzen. Schreiber hatte im vergangenen Jahr daraufhin angekündigt, das Auswahlverfahren zu überdenken. Bislang wurden die deutschen Künstler zumeist über eine Vorentscheid-Show im Fernsehen ausgewählt. Die wurde nun komplett gestrichen.

Die beiden Jurys waren eine «Eurovisions-Jury» mit 100 Menschen aus ganz Deutschland und eine internationale Expertenjury aus 20 Musikprofis. «Diese Musikprofis gehörten alle schon einmal zur nationalen ESC-Jury ihres Heimatlandes», hieß es in der NDR-Mitteilung weiter. Damit orientiert sich der NDR an der regulären Punktevergabe im Finale, wo die eine Hälfte der Punkte von den Zuschauern und die andere von der nationalen Jury kommt.

Um Teil der «Eurovisions-Jury» werden zu können, mussten Bewerber bereits 2019 im Vorfeld des Finales online Tipps zur Platzierung von zehn zufällig bestimmten ESC-Beiträgen abgeben. Mehr als zwei Millionen Menschen wurden auf Facebook dazu aufgerufen, 15.000 Menschen haben mitgemacht. Wer dabei das beste Gespür bewies, wurde Teil der 100-köpfigen Zuschauerjury. «Auch die Mitglieder der internationalen Expertenjury wurden danach ausgewählt, wessen Einschätzung dem tatsächlichen Ergebnis besonders nah kam», so der NDR weiter.

In dem vom NDR veröffentlichten Video gibt Schöneberger zudem singend Details zum Verfahren bekannt. So standen vor allem Talente im Vordergrund, die wiederum von Profis betreut werden sollten. Zudem sei man weltweit auf Liedersuche gegangen.

«Mit diesem Verfahren haben wir auch deutlich mehr Zeit für die Inszenierung gewonnen», sagte Christian Blenker, ARD-Teamchef für den ESC, dazu. «Die ersten spannenden Ideen von international erfolgreichen Choreographen und Staging-Profis liegen uns bereits vor.»

Auch Alexandra Wolfslast, neuer Head of Delegation für den deutschen Beitrag beim ESC, warb bei den Fans um Verständnis für die lange Wartezeit auf Konkretes zu Lied und Künstler. «Wir wissen, dass viele Fans lange auf Infos gewartet haben. Wir brauchten aber die Zeit, um konzentriert schon sehr viele Dinge für Rotterdam vorzubereiten. Umso mehr freuen wir uns, am 27. Februar diesen tollen Act präsentieren zu können.»

ESC-Fans äußerten sich nach der Bekanntgabe eher enttäuscht und hatten mehr neue Infos erwartet. Unklar sei zudem, warum ausgerechnet das Kippen der öffentlichen Vorentscheid-Show mehr Erfolg bringen soll. «Interessant wäre dabei vor allem, warum ausgerechnet die Zuschauer als Schwachstelle ausgemacht wurden, obwohl die internationale Fachjury die Sisters im vergangenen Jahr ebenfalls auf Platz 1 gesetzt hat», hieß es im Fan-Forum «ESC kompakt».

17 der insgesamt 41 Teilnehmerländer haben ihre Künstler für den weltweit größten Musikwettbewerb bereits bekanntgegeben. Laut eurovision.de steigt die Zahl der Länder, die auf eine Vorentscheidsshow verzichten - auch wenn sie noch in der Minderheit sind: «2019 wurden noch zwölf Acts direkt bestimmt, also komplett ohne Voting zu Interpret oder Titel. 2020 werden es voraussichtlich 16 sein.» Bis zum 9. März müssen laut den Regularien die Teilnehmer aller Länder feststehen.

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