Oberbürgermeisterwahl in Dortmund: Utz Kowalewski

Utz Kowalewski tritt bei der Oberbürgermeisterwahl in Dortmund für Die Linke an. Seine Freizeit verbringt er am liebsten mit seiner Familie und in der Natur, oder er baut Gemüse im Garten an.

Dortmunder Oberbürgermeisterkandidat Utz Kowalewski von Die Linke.
© Klaus Hartmann / DIE LINKE (Kreisverband Dortmund)

Profil: Utz Kowalewski, Die Linke

Alter: 50

Geburtsort: Dortmund

Familienstand: Feste Partnerschaft, drei Kinder

Beruf: Biologe

Politischer Lebenslauf

  • 2006: Kreissprecher der WASG (Wahlalternative für Arbeit und Soziale Gerechtigkeit)
  • 2007-2009: Kreissprecher DIE LINKE
  • Seit 2009: Mitglied des Rates der Stadt Dortmund
  • Seit 2009: Aufsichtsratsmitglied bei der DOGEWO
  • Seit 2010: Fraktionsvorsitzender
  • Seit 2014: Mitglied der Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr (RVR)
  • Seit 2014: stellv. Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen im Rat der Stadt Dortmund
  • Seit 2014: Aufsichtsratsmitglied bei den Dortmunder Stadtwerken

Welches heiße Eisen fassen Sie als Oberbürgermeister als erstes an?

Als erste Sofortmaßnahme würde ich die Bußgeldbescheide gegen Obdachlose wegen des Corona-Kontaktverbotes aufheben lassen. Da fehlte jedes soziale Fingerspitzengefühl. Es kann nicht sein, dass Obdachlose, die ohnehin besonders unter der Einschränkung von Hilfsmaßnahmen während der Pandemie gelitten haben, durch Bußgelder bestraft werden, wenn sie zu dritt auf einer Treppe gesessen haben. Da überzogene Bußgeldforderungen in der Größenordnung von 200 Euro nicht bezahlt werden können, droht im Einzelfall sogar Gefängnis. Das ist absurd.

Aber die Obdachlosenpolitik insgesamt muss auf den Prüfstand. Ich strebe das Konzept „Housing Frist“ an, so wie es Finnland praktiziert. Dort gibt es inzwischen nahezu keine Obdachlosigkeit mehr. Ich halte das nachstehende Zitat für sachlich richtig: „Man erkennt den Wert einer Gesellschaft daran, wie sie mit den Schwächsten ihrer Glieder verfährt“ (Gustav Heinemann, ehemaliger Bundespräsident).

Wie sieht Ihr Verkehrskonzept der Zukunft aus?

Ich stehe für eine Sozial-Ökologische Wende in der Dortmunder Stadtpolitik. Ein Kernstück dieser Strategie, den Klimawandel auf eine sozial ausgewogene und gerechte Art und Weise zu bekämpfen, ist die Verkehrswende. Der öffentliche Nahverkehr ist dafür weiter auszubauen. Die Wartezeiten sollen durch zusätzliche Busse und Bahnen verkürzt werden. Schlecht erschlossene Gebiete sollen an das ÖPNV-Netz angebunden werden. Langfristig streben wir einen ticketlosen Nahverkehr an, kurzfristig muss das viel zu teure Sozialticket wieder für seine Nutzergruppen bezahlbar werden. Eine H-Bahn-Verbindung zwischen der Universität und dem neuen Standort der Fachhochschule an der Rheinischen Straße ist sinnvoll.

Gleichzeitig sollen Park and Ride Parkplätze zur Verfügung gestellt werden und die Innenstadt von Autoverkehr entlastet werden. Der Radverkehr soll gefördert werden durch bessere und sichere Radwegeverbindungen. Dortmund soll außerdem Standort für eine Wasserstoffproduktion aus erneuerbaren Energien werden – damit lässt sich auch der Verkehr, insbesondere in den Bereichen Logistik und Busverkehr, klimafreundlicher machen. Die E-Mobilität ist eine Nische, die lokale Beiträge zur Verkehrswende leisten kann, aber nicht die Lösung für das Problem insgesamt sein kann. In der Stadtplanung soll die Stadt der kurzen Wege verwirklicht werden, so dass manche Verkehre gar nicht erst entstehen.

„Servicewüste Stadtverwaltung“. Was muss sich ändern?

Nachdem SPD und DIE LINKE vor Jahren die Abschaffung der Stadtbezirke Eving und Huckarde auch mit vereinten Kräften nur knapp abwehren konnten, wurden die Bürgerdienste personell massiv ausgedünnt. Das zuständige Ordnungsdezernat wird ja von der CDU geführt. Die Zentralisierung der Bürgerdienste und die Ausdünnung des Service in den Bezirksverwaltungsstellen war dann der nächste Schritt, der mit dem selbst erzeugten Personalmangel begründet wurde.

Ich halte die jetzige Situation für untragbar – und zwar sowohl für die Bürger*innen als auch für das übrig gebliebene städtische Personal. In der Konsequenz muss die zentralisierte Situation aufgelöst werden, mehr Personal eingestellt werden und die Bezirksverwaltungsstellen wieder mehr Kompetenzen erhalten. Gleichzeitig sollten die Onlineangebote für den Kundenkontakt ausgebaut werden. Antragsstellungen für viele Leistungen sollten unbürokratisch im Internet möglich sein - ohne dass dafür vor Ort Termine benötigt werden. 

Corona und die Wirtschaft. Wie bewältigen Sie die Krise?

Deutschland und auch Dortmund war auf die Pandemie nicht vorbereitet. Es gab keine Masken, nicht genug Desinfektionsmittel und keine Virentests, mit denen Infektionsketten hätten unterbrochen werden können. Für die bereits erkennbare zweite Welle der Pandemie in Dortmund muss das besser werden. Ich plädiere dafür, sich auf Massentests vorzubereiten, damit die zweite Welle schnell durch die Identifizierung und Quarantäne von infizierten Menschen (auch Menschen ohne Symptome können infiziert sein) gebrochen wird und wir einen zweiten Lockdown des öffentlichen Lebens auf diese Weise vermeiden können. Die Gesundheit geht immer vor, aber die Schäden in der Wirtschaft und im Sozialen wären gigantisch, wenn es zu einem erneuten Lockdown käme.

Um die Krise gut zu überstehen, müssen die öffentlichen Haushalte investieren. Konzerne bedürfen nicht der Hilfe des Staates. Aber die vielen kleineren Betriebe brauchen Unterstützung durch die öffentliche Hand, um die Folgen der Corona-Krise auffangen zu können. Ich möchte schnelle Liquiditätssicherungen durch die Dortmunder Sparkasse als kommunale Hausbank für Betriebe. Auch Fingerspitzengefühl im Umgang mit Gewerbebetrieben ist gefordert. Wenn zum Beispiel das Subrosa in der Nordstadt in seiner Existenz gefährdet wird, weil das Ordnungsamt formalistische Einwendungen in Bezug auf die Außengastronomie hat, dann wird das der Krisensituation nicht gerecht. 

Baustellenchaos in Dortmund? Wie funktioniert es besser?

Man hat derzeit in Bezug auf die Baustellen in der Tat den Eindruck, dass in der Verwaltung die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut. Das muss anders werden. Mit der Ausgliederung der Stadtentwässerung aus dem Tiefbauamt gegen die Stimmen der LINKEN ist eine zusätzliche Schnittstelle mit erhöhtem Koordinierungsbedarf entstanden. Wir brauchen endlich eine Koordination für Baustellen in einer Hand, zwischen den verschiedenen Stadtämtern (z.B. Tiefbauamt), Eigenbetrieben (z.B. Stadtentwässerung) und kommunalen Unternehmen (z.B. DEW, DOKOM, DSW), die im Straßenraum aktiv sind.

Der Zustand der Straßen und Radwege muss aber nachhaltig verbessert werden, daher lassen sich Baustellen im Grundsatz nicht vermeiden. Aufgrund des von der Rot-Grünen Koalition hinterlassenden Haushaltsloches im Jahr 2009 haben SPD und CDU ja umfangreiche Haushaltskürzungen beschlossen. Damals wurden auch die Instandhaltungsbudgets für den Straßenbau stark reduziert. Die Folge war ein Schaden am gesamten Straßensystem, der bis heute nicht wieder aufgeholt werden konnte. Dies muss aber endlich getan werden, damit die Infrastruktur der Stadt wieder in Ordnung kommt.

Kinderarmut, Aufstocker, Besserverdiener: Wie entschärfen Sie das soziale Gefälle?

Die Hälfte der Dortmunder Bevölkerung hat aufgrund seines niedrigen Einkommens Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. Rund 100.000 Menschen leben sogar von Hartz IV und Grundsicherung im Alter und damit am amtlichen Existenzminimum. Gegen die massive Wohnungsnot - vor allem im preisgünstigem Segment in Dortmund - möchte ich zusätzlich Gemeindewohnungen nach dem Vorbild der Stadt Wien bauen. Solche Wohnungen bleiben auf Dauer preisgünstig und fallen nicht nach einigen Jahren aus der Sozialbindung, wie es bei den herkömmlichen Modellen der Fall ist. Zum Schutz der Mieter*innen möchte in an einigen gefährdeten Stellen in Dortmund Milieuschutzsatzungen erlassen, die Mieterhöhungen erschweren, Luxusmodernisierungen und die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen unterbinden.

Für die Einkommensspreizung ist der desaströse Arbeitsmarkt in Dortmund verantwortlich. Ich möchte Beschäftigung im Sinne der DGB-Definition von „Guter Arbeit“ fördern und prekäre Arbeitsverhältnisse wie Minijobs, Teilzeit und Leiharbeit zurückdrängen.

Für Familien, die von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind, möchte ich gezielt die öffentliche Beschäftigung zu tariflichen Bedingungen ausbauen. Auf diese Weise soll die dramatische Kinderarmut abgebaut werden, die Dortmunds Zukunftsfähigkeit in Frage stellt – ein Drittel aller Kinder in Dortmund lebt in einem Hartz IV Haushalt.

Bisherige Arbeitsgelegenheiten (1-Euro-Jobs) bieten für die Betroffenen keine Perspektive. Gleichzeitig soll das Bildungssystem auch für Kinder aus schwierigen Haushalten durchlässiger werden – Dortmund braucht deshalb mindestens eine zusätzliche Gesamtschule, eher sogar drei neue Gesamtschulen, um den Bedarf zu decken und den Eltern Wahlfreiheit zu ermöglichen. Im Kitabereich möchte ich erkennbaren Tendenzen einer Bildungsprivatisierung entgegenwirken und den kommunalen Träger Fabido stärken, sowie die freien Träger der Wohlfahrt. Kommerzielle Träger sollen in Dortmund keine Kitas betreiben, um eine soziale Entmischung bereits im Vorschulalter zu verhindern.

Wie wollen Sie Dortmund zu einer noch lebenswerteren Stadt machen?

Ich möchte im urbanen Raum mehr Straßenbäume und mehr Wasserstellen wie Brunnen oder Teiche schaffen. Wasser und Bäume schaffen ein angenehmes Wohn- und Aufenthaltsklima – aber auch in Anpassung an Klimaveränderungen sind dies sinnvolle Maßnahmen um einer Überhitzung der Wohnquartiere entgegen zu wirken und eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen. Außerdem möchte ich mehr Möglichkeiten für das Urban Gardening einräumen. Nicht nur die Kleingärten sind hervorragend, um ein Stück Selbstversorgung zu ermöglichen, sondern es sollte auch Möglichkeiten im öffentlichen Raum eröffnet werden, beispielsweise für kleine Kräutergärten, für Gemüse oder in Form von Obstbäumen in Wohnsiedlungen oder in der Nähe von Kitas und Schulen.  

Für junge Menschen möchte ich im Innenstadtbereich wieder ein Nachtleben und eine Partymeile ermöglichen. Es kann nicht sein, dass man zum Feiern in die Nachbarstädte des Ruhrgebietes ausweichen muss, während andererseits versucht wird, studentisches Leben über Wohnheime in die Innenstadt zu holen. Diskothekenviertel wie damals auf der Brache der ehemaligen Thier-Brauerei oder ein Kneipenviertel wie vor vielen Jahren am Ostwall haben einen Charme und gehören zu einer Großstadt einfach dazu. 

Was machen Sie, wenn Sie nicht Politik machen?

Die verfügbare freie Zeit verbringe ich im Rahmen der Familie – ich habe drei Kinder, der Kleinste ist jetzt 3 1/2 Jahre alt und nimmt viel Aufmerksamkeit in Anspruch.

Gerne gehe ich auch zu direkten Beobachtungen der Tierwelt in die Natur. Im Garten pflege ich den Naturteich und pflanze durchaus auch Lebensmittel an. Im Urlaub liebe ich es, in den Korallenriffen zu schnorcheln – leider ist die Situation wegen Corona einerseits, aber auch wegen der politischen Verwerfungen in Ägypten nicht nach einem solchen Urlaub.  

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Utz Kowalewski privat© Radio 91.2
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